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Adventskalender (15): Die Bibliothek Wan Shi Tongs (Avatar - Der Herr der Elemente)

Die Kinderserie „Avatar – Der Herr der Elemente“ erfreut sich nach wie vor beachtlicher Begeisterung. Für Viele von uns ist sie wohl ein Stück Kindheit, an das man sich gerne zurückerinnert (die erste Staffel kam 2006 ins deutsche Fernsehen!) oder auch von Zeit zu Zeit mal einen Re-Watch startet. Sei es für Groß, sei es für Klein - unser chaotischer wie sympathischer Hauptprotagonist Aang und seine Freunde Katara, Sokka und Toph erleben gemeinsam viele Abenteuer. Dabei verschlägt es sie in alle möglichen Ecken der vier großen Königreiche, die sich nach den Elementen ihrer jeweils dort angesiedelten Bändiger*innen untergliedern:
Wasser – Luft – Erde – Feuer
Aangs Aufgabe selbst besteht darin, als Avatar „Herr der vier Elemente“ zu werden und den Frieden zwischen den Nationen wiederherzustellen, den die Feuernation seit über 100 Jahren aktiv gefährdet. Doch er selbst kann zunächst nur das Element der Luft bändigen und muss sich deshalb mit seinem Flugbison Appa und seinen Gefährten auf eine lange Reise begeben, um Lehrmeister für die weiteren Elemente finden.
Für das heutige Türchen des Adventskalenders möchte ich euch mit in das südliche Erdkönigreich nehmen, genauer gesagt in die Wüste „Si Wong“. Dort befindet sich in der Serie nämlich die Bibliothek Wan Shi Tongs, dem gleichnamigen Eulengeist, der als oberster Leiter eben jener fungiert. (Falls sich jemand die Folge nochmal selbst ansehen möchte: Staffel 2, Folge 10: „Wissen ist Macht“).

Und Wan Shi Tong kommt nicht von irgendwo, sondern aus der Geisterwelt, aus welcher er auch seine Bibliothek mitgebracht und in der Wüste Si Wongs physisch manifestiert hat. Der in der Folge zunächst sehr hilfsbereite Eulengeist ist dabei ein Universalgelehrter und Bibliothekar zugleich. Sein oberstes Ziel ist es, neue Dinge zu erfahren und so über mehr Intelligenz zu verfügen als Jede*r sonst. Und dafür sammelt er das Wissen aus der ganzen Welt in seiner Bibliothek und stellt dieses sogar anderen Interessierten frei zur Verfügung – stets in der Hoffnung, andere würden sich dadurch weiterbilden, klüger werden, sich selbst und Andere besser verstehen und die Welt zu einem besseren Ort machen.
Leider ist unsere allwissende Bibliothekseule (welch stereotypisch-passendes Tier für eine*n Bibliothekar*in) mittlerweile etwas skeptisch gegenüber der Menschheit geworden. Ihre Erfahrungen mit der Menschenwelt waren bislang zwar begrenzt, aber in Summe doch eher negativ. So musste Wan Shi Tong feststellen, dass sich die Menschen für seine Bibliothek und das enorme dortige Wissen zwar rege interessierten, jedoch in erster Linie, um sich in militärischer Hinsicht einen Vorteil zu verschaffen. Um Krieg und Zerstörung herbeizubringen. Macht und Militär – zwei Begriffe, die Wan Shi Tong nur ungern mit seinem reichhaltigen Wissensschatz in Verbindung bringt. Und die anfängliche Skepsis gegenüber dem Team Avatar scheint wohl ebenso berechtigt, wie sich alsbald herausstellt. Deshalb sieht sich Wan Shi Tong letzten Endes auch gezwungen, Avatar Aang und seine Freunde aus der Bibliothek zu vertreiben. Diese täuschen dem obersten Bibliothekar ihr aufrichtiges und ehrliches Interesse an dessen Sammlung nämlich ebenfalls nur vor, erhoffen sich in Wahrheit jedoch neue (militärische) Erkenntnisse – in diesem Fall, um Schwachstellen der Feuernation in Erfahrung zu bringen und so den gefürchteten Feuerlord Ozai besiegen zu können.
Eine dramatische wie nervenaufreibende Flucht aus der Bibliothek zeichnet sich ab! Dabei spitzt sich die Situation immer weiter zu, weil sich die missmutige Eule nun dazu entschlossen hat, ihr Wissen mit der undankbaren Menschheit fortan nicht mehr zu teilen und die Bibliothek in der Wüste für immer versinken zu lassen…

So viel zum Plot der Folge (keine Spoiler zum Ausgang und an dieser Stelle zugleich wärmste Empfehlung, sich die Folge (mal wieder) selbst anzusehen!). Aber dieses Kapitel ist natürlich auch für uns angehende Bibliothekar*innen interessant, schließlich ist uns das Setting mit der Bibliothek zwar wohlbekannt, aber eher untypisch für eine Kinderserie, oder? Und so ist die visuelle Darstellung doch zu hinterfragen: Ist die Bibliothek, wie in der Serie dargestellt, wirklich so ein dunkler, ja nahezu furchteinflößender und verstaubter Ort? Sind wir als Bibliothekar*innen diese angsteinflößenden Wissensmonster wie gegen Ende der Folge oder doch eher freundlich gesinnte Informationsdienstleiter wie noch am Anfang gezeigt? Auch der Titel der Folge, „Wissen ist Macht“, ist an sich spannend. Abgesehen vom materiellen Wert einer Bibliothek ist immer zu beachten, welchen Nutzen die in ihr ausgestellten Medien für ihren Nutzerkreis hat? Laut Wan Shi Tong ist eine Bibliothek „hundert Mal wertvoller als Gold […]. Sie stellt eine unwahrscheinliche Anhäufung von Wissen dar und Wissen ist sehr kostbar.“ Doch welches Wissen wollen wir konservieren und ausstellen? Wollen wir uns spezialisieren auf gewisse Themen oder alles Wissen der Welt aufbewahren, so wie es auch Wan Shi Tong vorhatte?

Beim Gucken der Folge würden uns wohl allesamt noch ein Dutzend weitere, unterschiedliche Fragen mit Bezug auf das Image von Bibliotheken einfallen. In der Serie wird zudem z.B. ein Studiensaal der Bibliothek gezeigt – Regale voller Schriftrollen, alles etwas marode und durcheinander. Und obwohl sich heutzutage vermutlich niemand mehr eine Bibliothek voller Schriftrollen vorstellt, so wird der Ort „Bibliothek“ in der Serie nicht gerade als einladend dargestellt. Daher wird es auch an unserer Mitwirkung in der Zukunft liegen, die Bibliotheken des Landes zu einem für alle Menschen zugänglichen Ort des Wissens zu gestalten, an dem man gerne und mit Freude regelmäßig einkehrt. Doch da habe ich bei all den netten Menschen, die ich hier bislang kennenlernen durfte, keinerlei Zweifel. Wir rocken das!
In diesem Sinne schon einmal einen frohen dritten Adventssonntag von mir und in Kürze ebenfalls ein gesegnetes Fest!
Liebe Grüße,
euer Andreas aus dem 2024/27 Kurs!