Blog

Adventskalender (8): Gefürchtet und verehrt - die Klosterbibliothek aus "Der Name der Rose"

[studierende.aub], Haubner, Lilli [haubner.lilli.aub] - 8. Dez 2024, 10:00

"Sie wurden beherrscht von der Bibliothek, von ihren Verheißungen wie von ihren Verboten. Sie lebten mit ihr, für sie und vielleicht auch gegen sie, in der sündigen Hoffnung, eines Tages all ihre Geheimnisse lüften zu können. Warum sollten sie nicht den Tod riskieren, um ein Verlangen ihres wissbegierigen Geistes zu stillen, warum nicht schließlich auch töten, um zu verhindern, dass jemand sich eines ihrer kostbaren Geheimnisse bemächtigte?"

aus "Der Name der Rose" von Umberto Eco.

Wer beginnt, den Roman "Der Name der Rose" zu lesen, kommt nicht umhin sich zunächst in einem mittelalterlichen Sherlock-Holmes-Krimi wiederzufinden.

William von Baskerville, ein Franziskaner-Mönch in Begleitung seines Novizen Adson von Melk, besucht auf einer Mission, die dem Leser verborgen bleibt, ein abgeschiedenes Benediktiner-Kloster. Wie in der Manier eines John Watsons fällt dem jungen Adson dabei die Rolle des aufmerksamen Chronisten zu.

Doch ein unerklärlicher, wie tragischer Todesfall erschüttert die Ordensbrüder. Nun ist Bruder William nicht nur weitbereist und weltgewandt, sondern, als ehemaliger Inquisitor, bekannt für seinen Scharfsinn. Der Abt bittet ihn also darum, in dieser Sache zu ermitteln.

Und während man sich Seite um Seite durch Adsons Chronik der Ereignisse blättert und spekuliert, welcher der Brüder sich wohl besonders verdächtigt verhält, enthüllt sich ein weiterer Charakter, bedrohlich, verführerisch und mit allgegenwärtiger Präsenz. Denn diese Abtei ist nicht nur schöner und trefflicher angelegt als Sankt Gallen oder Cluny, so Adson, sondern beherbergt eine Bibliothek mit unermesslichem Umfang und ein Skriptorium in dem unermüdlich an deren Wachstum gearbeitet wird.

Doch obwohl man von dieser Bibliothek bewundernd in allen Klöstern der Christenheit spricht, so Bruder William, verweigert man nicht nur ihm und Adson den Zutritt, sondern verschließt ihre Tore vor aller Welt.

"Allein der Bibliothekar hat das Recht, sich im Labyrinth der Bücher zu bewegen, er allein weiß, wo die einzelnen Bände zu finden sind und wohin sie nach Gebrauch wieder eingestellt werden müssen, er allein ist verantwortlich für ihre sachgemäße Erhaltung."

Der Abt verbietet nicht nur den Zugang, sondern spricht auch eine Warnung aus: "Die Bibliothek verteidigt sich selbst. Unergründlich wie die Wahrheit, die sie beherbergt, trügerisch wie die Lügen, die sie hütet, ist sie ein geistiges Labyrinth und zugleich ein irdisches. Kämt Ihr hinein, Ihr kämt nicht wieder heraus."

Kaum etwas ist faszinierender als das Verbotene! So mag es nicht verwundern, dass Bruder William und Adson beschließen trotz aller Warnungen nachts in die Bibliothek einzubrechen. Nicht nur aus reiner Neugier, denn es gibt bald weitere Opfer und nun wird klar, dass die Bibliothek oder vielmehr ihr literarischer Schatz eine größere Rolle in dieser Mordserie spielt, als man ihr zunächst zugedacht hat. Und die Bibliothek weiß sich zu verteidigen! Nur unter großen Mühen gelingt es Bruder William und Adson der Bibliothek und ihren Fallen zu entkommen.

Die Bibliothek ist hier also weniger Schauplatz, sondern fast schon eignener Charakter, dessen Rolle einem nur nach und nach enthüllt wird. Sie lockt mit den geheimnisvollen Büchern, die es nur noch in ihr geben soll, eifersüchtig wird sie vom Bibliothekar bewacht und hingebungsvoll von den Mönchen mit neuen Büchern und exzellenter Kopistenarbeit versorgt und aufgebaut. Zugleich ist sie gefürchtet. Des Nachts würde niemand wagen, sie zu betreten, denn man weiß um die Gefahren für Leib und Leben. Zugleich fürchten sich die Mönche auch vor den Gefahren des Geistes, die in den Beständen lauern, denn in den Regalen stehen auch heidnische Werke, die einen braven Mönch vom "rechten Pfade" abbringen können.

bH


Bisher wurde noch kein Kommentar abgegeben.