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Adventskalender (4): Poesie- und Bibliotherapie

Kimpan, Laurin [kimpan.laurin.aub] - 4. Dez 2024, 10:00

Was wir als Studierende am Fachbereich Bibliothekswesen schon lange wissen, ist auch in Fachkreisen bekannt: Die heilende Wirkung der Bücher.

Die Erkenntnis, dass Bücher einen – wie auch immer gearteten – Effekt auf Menschen haben, ist nichts Neues, ebenso wenig die damit einhergehenden Möglichkeiten. Mutmaßlich wurden im antiken Rom depressiven Patient*innen z.B. Komödien verordnet. Im amerikanischen Raum finden sich die frühesten Erwähnungen von Bibliotherapie bereits Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Poesietherapie entwickelt sich davon unabhängig. Bei beiden handelt es sich – ähnlich der Musiktherapie – um eine künstlerische Therapieform. Während sich Bibliotherapie allerdings mehr mit dem Lesen von Büchern und der Verarbeitung der dabei ausgelösten Empfindungen beschäftigt, geht es bei der Poesietherapie darum, eigene Texte zu verfassen. Der breiten Masse bekannt wurde die Thematik erst in den 70er Jahren, als unter die Bibliotherapie anderem in öffentlichen Bibliotheken etabliert wurde. Die Bibliothekarin Rhea Joyce Rubin gab sogar zwei Bücher dazu heraus.

Zu einem ähnlichen Zeitpunkt entwickelten in Deutschland Ilse Orth und Hilarion Petzold – ein Psychologe und Philosoph – das Verfahren der Integrativen Poesie- und Bibliotherapie (PBT). Hier existierten Bibliotheken schon seit dem 19. Jahrhundert in psychiatrischen Einrichtungen, die Verwendung von Literatur im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung war also nicht unbekannt. Das von Orth und Petzold entwickelte Verfahren kombinierte erstmals die beiden Therapieformen miteinander und spielt seitdem vor allem in Deutschland eine große Rolle.

Das Verfahren kann sowohl in Einzel- als auch in Gruppentherapien eingesetzt werden. Während die PBT sich gut als Hilfe zur Bewältigung von Lebenskrisen eignet, sollte sie gerade bei der Behandlung von ernsten psychischen Erkrankungen nur als Teilstrategie einer Psychotherapie angewandt werden. Auch bei Menschen mit chronischen Erkrankungen kann sie sinnvoll sein. Welche Bücher verwendet werden ist individuell, es muss sich nicht nur um krankheitsbezogene Literatur handeln.

Es besteht sogar die Möglichkeit sich zum Poesie- und Bibliotherapeuten weiterbilden zu lassen – Zielgruppe sind hier unter anderem Bibliothekar*innen.

Wie bei vielen kreativtherapeutischen Methoden gibt es natürlich auch hier Debatten über die Wirksamkeit der Behandlung. Letztendlich muss das jeder Mensch für sich selbst beurteilen. Fest steht allerdings, dass Bücher einen anderen Zugang zu vielen Themen ermöglichen und gerade in Bezug auf Weiterbildung und Selbsthilfe gibt es einiges an Nachfrage. Und außerdem – haben wir nicht alle mindestens ein „Comfort-Buch“ zuhause liegen?

- lk

Quellen:

Meyer, Sophia (2016). Bibliotherapie. Eine aktuelle Bestandsaufnahme. Online unter https://openscience.ub.uni-mainz.de/bitstream/20.500.12030/10202/1/bibliotherapie__eine_aktuelle-20240312102003815.pdf, Stand 03.12.2024

https://www.portal-der-psyche.de/behandlungen/sonstige/bibliotherapie/bibliotherapie.html, Stand 03.12.2024

https://www.eag-fpi.com/kurzzeitausbildungen/kreativ-kunst-musiktherapie/weiterbildung-poesie-bibliotherapie/, Stand 03.12.2024


Kommentare

  • re

    [reckziegel.ines.aub]

    Das Team "Literarische Apotheke" aus dem Kurs 2022/25 freut sich, dass dieses Thema nun auch im bibliothekarischen Kontext mehr Aufmerksamkeit bekommt!

    Erstellt am4. Dez 2024