Hochschullehre #digital
BLOG der HöMS rund um digital gestütztes Lehren & Lernen
Learning is not just Video!
Machura, Andreas [andreas.machura.hfpv] - 10. Sep 2022, 11:42
Ein Beitrag von Thorsten Reus vom Campus Mühlheim zum Thema "Blended Learning"
Elektrokleinstfahrzeuge im Selbststudium?!
Das Studienfach Verkehrsrecht/-lehre vermittelt bereits seit vielen Jahren einen Großteil seiner Inhalte im „Angeleiteten Selbststudium“ und nutzt dazu vor allem die Lernplattform ILIAS. Moderne Vermittlungsformen wie das „Inverted Classroom Model“ (ICM) bringen die Studierenden zum Erwerb des reinen Fachwissens daheim vor den Bildschirm – die Präsenzphasen in der Hochschule dienen dem gemeinsamen Vertiefen bzw. Anwenden des zuvor Erlernten.
Im vergangenen Sommersemester bildete im 1. Studienabschnitt die „Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung – eKFV“ einen Schwerpunkt der gestellten Zentralklausur. Diese Themen rund um Segway und E-Scooter sind sehr komplex:
Während die einzelnen Inhalte des Fahrerlaubnisrechts, der Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr, der Straßenverkehrsordnung oder auch der Verkehrstüchtigkeit von Fahrzeugführerinnen und –führern „nacheinander“ im Vorlesungsplan abgearbeitet werden können, beinhaltet die eKFV für die Elektrokleinstfahrzeuge Sonderbestimmungen aus allen genannten Bereichen.
Somit können die Studierende diese Inhalte erst zum Ende des Semesters intensiv behandeln, mit den vorherigen Inhalten verknüpfen, verstehen und auf Sachverhalte anwenden.

Wie komme ich bloß aus diesem Dilemma heraus?
Erstmals habe ich die Thematik ausschließlich im Angeleiteten Selbststudium erarbeiten lassen (ca. 6 Lehrveranstaltungsstunden)!
Eine kurze Präsentation führte ins Thema ein, ein in Youtube öffentlich nutzbares Video stellte die wesentlichen Bestimmungen über die Bau- und Betriebsvorschriften eines E-Scooters und die wesentlichen Verhaltensvorschriften im Straßenverkehr dar. Dieses etwa 12-minütige Video habe ich mit interaktiven Elementen (besonderen Hinweisfenstern, Multiple-Choice-Fragen zu vorangegangenen Szenen) versehen, so dass auch beim „Videoschauen“ gearbeitet werden musste.
Die Übersicht der wesentlichen Verkehrsordnungswidrigkeiten und die weiteren Bestimmungen der eKFV setzten die Lerneinheit fort.
Ein abschließender Multiple-Choice-Test diente der (eigenen) Wissensüberprüfung, war allerdings auch so angelegt, dass die ein oder andere Frage nur durch nachschlagen in Gesetz bzw. Kommentierung (und somit vertiefend) gelöst werden konnte.
Der offensichtliche Nachteil, nämlich mein Zeitaufwand (entsprach ungefähr der „erstmaligen“ Vorbereitung zur Vermittlung in Präsenz) war in Wirklichkeit kein Nachteil: Ich kann meine gesamte Lerneinheit in allen nachfolgenden Semestern wiederverwenden! Auch anderen Interessierten kann ich bei Bedarf das Material als Sekundärquelle zur Verfügung stellen.
Siehe auch digitales Teilen!
Meine (deutlich überwiegenden) Vorteile liegen darin, dass die Studierenden die Inhalte der eKFV anschauen konnten, und zwar wann, wo und so oft sie wollten. Ein von mir eingerichtetes FORUM gab die Möglichkeit Fragen zu stellen und interaktiv bzw. gemeinsam zu beantworten.
Dazu kam, dass zu allen anderen Semesterinhalten bereits Übungen, Präsentationen und Lerneinheiten auf der Plattform lagen, die jederzeit noch einmal angesehen werden konnten, um Wissenslücken zu schließen.

Das Ergebnis?
Mit Herzklopfen begann ich die Klausurkorrekturen. Erleichterung! Es war kein Unterschied zwischen den im Selbststudium vermittelten Inhalten der eKFV und den in größeren Präsenzumfängen vermittelten weiteren Aufgabenstellungen festzustellen!

Und nun?
Der erste Brief in "Word" dauerte bei uns allen mutmaßlich mehrere Stunden – und heute, nach vielen Jahren täglichem Gebrauch, wenden wir alle "Word"ohne Probleme an.
Somit kann ich nur alle animieren, sich dem Blended Learning nicht zu verschließen und – wie beim ersten Brief in "Word"– regelmäßig an Methodik und Technik zu üben.
An Lernzielen orientierte und aneinandergereihte Texte, Bilder, Lerneinheiten, Übungen und Videos vermitteln Wissen, aktivieren Teilnehmende und zeigen uns Lehrenden die stets aktuellen Leistungsstände unserer Studierenden. Somit ist auch die Erarbeitung klausurrelevanter Inhalte im reinen Selbststudium möglich!
Damit wird aber auch die von Prof. Jürgen Handke geprägte These (nämlich der Titel des Beitrages: "Learning is not just Video!" [1]), dass Lernen eben nicht nur aus Videoschauen besteht, deutlich unterstrichen.
Mein Beispiel zeigt, dass der Lernerfolg im angeleiteten Selbststudium (mindestens) so hoch ist, wie in oft zähen Präsenzphasen. Und vielleicht schaut sich der ein oder die andere Studierende die Lerneinheit ja auch später nochmal an – Lernen durch (freiwilliges) Wiederholen ist ja auch eine Methode…
[1] Handke, Handbuch Hochschullehre digital, 3. erw. Auflage 2020, S. 12, Baden-Baden 2020